Digitale Souveränität im europäischen Vergleich
Die Frage, wie souverän Europa seine digitale Infrastruktur gestaltet, wird zunehmend zentral. Der von Nextcloud erstmals veröffentlichte Digital Sovereignty Index (DSI) zeigt nun, wie unterschiedlich stark europäische Länder auf selbst-gehostete, offene Technologien setzen – und wo dringender Handlungsbedarf besteht.
Laut dem Bericht führt Finnland mit einem DSI-Wert von 64,5 Punkten, gefolgt von Deutschland (53,85) und den Niederlanden (36,32). Damit liegen diese drei Nationen deutlich über dem EU-Durchschnitt von 16,31 Punkten. Weit abgeschlagen finden sich Großbritannien (9,21), Belgien (7,15), Italien (6,5), Spanien (7,01) und Dänemark (6,5) – trotz teils hoher politischer Aufmerksamkeit für das Thema.
Was der Digital Sovereignty Index misst
Der DSI erfasst die Nutzung von rund 50 beliebten selbst-gehosteten Softwarelösungen – von Dateispeicher- und Kollaborationssystemen über Kommunikations- bis zu Projektmanagement-Tools. Gemessen wird die Anzahl der Installationen pro 100 000 Einwohner im Verhältnis zu anderen Ländern.
Wichtig: Der Index bewertet nicht die Größe der Installationen, sondern zeigt die gesellschaftliche Tendenz zu offenen, souveränen Infrastrukturen – insbesondere im Mittelstand und bei Privatnutzern. Insgesamt wurden mehr als 7,2 Millionen Server weltweit analysiert.
Deutschland stark – aber mit strukturellem Defizit im öffentlichen Sektor
„Die Forschung zeigt ein hohes Bewusstsein in Deutschland und den Niederlanden. Privatpersonen und kleine bis mittlere Unternehmen nutzen zunehmend selbst-gehostete Open-Source-Technologien. Der öffentliche Sektor ist dagegen weiterhin stark von Big-Tech-Anbietern abhängig“, erklärt Frank Karlitschek, CEO und Gründer von Nextcloud.
Diese Abhängigkeit könne teuer werden, warnt Prof. Harald Wehnes von der Universität Würzburg:
„Die öffentliche Verwaltung ist stark von digitalen Monopolisten abhängig und riskiert, langfristig überhöhte Preise mit Steuergeldern zu zahlen. Das EU-Dienstleistungsdefizit für Software-Lizenzen, Cloud-Services und ähnliche Kosten gegenüber den USA erreichte zuletzt ein Rekordniveau von 148 Milliarden Euro.“
Ranking im Überblick
| Rang | Land | DSI-Wert |
|---|---|---|
| 1 | 🇫🇮 Finnland | 64,5 |
| 2 | 🇩🇪 Deutschland | 53,85 |
| 3 | 🇳🇱 Niederlande | 36,32 |
| 4 | 🇫🇷 Frankreich | 25,1 |
| 5 | 🇨🇭 Schweiz | 23,32 |
| 6 | 🇦🇹 Österreich | 20,23 |
| 7 | 🇪🇪 Estland | 18,4 |
| 8 | 🇱🇻 Lettland | 16,63 |
| 9 | 🇱🇹 Litauen | 16,1 |
| – | EU-Durchschnitt | 16,31 |
| 10 | 🇬🇧 Vereinigtes Königreich | 9,21 |
| 11 | 🇳🇴 Norwegen | 6,35 |
| 12 | 🇧🇪 Belgien | 7,15 |
| 13 | 🇩🇰 Dänemark | 6,5 |
| 14 | 🇪🇸 Spanien | 7,01 |
| 15 | 🇮🇹 Italien | 6,49 |
Offene Technologien als Schlüssel zu Souveränität
Offene Standards und quelloffene Software bilden das Fundament digitaler Selbstbestimmung. Pernille Tranberg, unabhängige Expertin für Daten- und KI-Ethik, betont:
„Europa muss an seiner digitalen Souveränität arbeiten und gleichzeitig unsere Datenschutzwerte bewahren. Open Source ist essenziell für eine resiliente digitale Landschaft.“
Auch Sebastian Raible, EU-Direktor des Open-Source-Verbands APELL, unterstreicht:
„Technologische Souveränität bedeutet, Abhängigkeiten zu reduzieren und Kontrolle über Daten zu gewinnen. Aber nur durch offene Technologien kann Europa nachhaltig innovativ bleiben. Der DSI zeigt, wo wir stehen.“
🇺🇸 USA & UK hinter EU-Durchschnitt
Interessanterweise liegen auch Kanada (14,94), die USA (14,88) und das Vereinigte Königreich (9,21) unter dem EU-Durchschnitt. Damit bestätigt der Index: Digitale Souveränität ist kein rein europäisches Problem, sondern eine globale Herausforderung.
Methodik des Digital Sovereignty Index
Die Erhebung erfolgte am 28. Juli 2025. Nextcloud untersuchte die Verbreitung von 50 selbst-gehosteten Lösungen (z. B. Nextcloud, Matomo, GitLab, Rocket.Chat, OnlyOffice u. a.) in über 50 Ländern. Der DSI-Wert reicht von 0 bis 100 und gibt die relative Dichte souveräner Infrastrukturen pro 100 000 Einwohner an.
Die Studie wurde erstmals durchgeführt und basiert auf öffentlich verfügbaren Installationsdaten. Nextcloud betont, dass keine Kundendaten oder Daten Dritter verwendet wurden.
Die vollständigen Ergebnisse: dsi.nextcloud.com
Über Nextcloud
Nextcloud ist die weltweit führende, datenschutzfreundliche Open-Source-Plattform für Zusammenarbeit. Sie ermöglicht das Bearbeiten, Teilen und Synchronisieren von Dateien, Videokonferenzen, Chat, E-Mail und Kalenderfunktionen – selbst gehostet oder bei vertrauenswürdigen Anbietern.
Das Unternehmen wurde 2016 gegründet, ist vollständig mitarbeitergeführt und betreut heute zehntausende Organisationen und Millionen privater Anwender weltweit.
Fazit: Europa muss handeln
Der Digital Sovereignty Index 2025 zeigt deutlich: Während Nord- und Mitteleuropa Fortschritte machen, hängen große Teile Europas und selbst führende Industrienationen noch von US-Technologiekonzernen ab.
Um langfristige Unabhängigkeit, Datenschutz und Innovationsfähigkeit zu sichern, muss Europa auf offene, transparente und selbst-gehostete Lösungen setzen. Open Source ist nicht nur eine technische Entscheidung – es ist eine politische und wirtschaftliche Weichenstellung für Europas digitale Zukunft.
Weitere Informationen: dsi.nextcloud.com – Vollständiger Digital Sovereignty Index 2025 nextcloud.com – Hintergründe zur Open-Source-Plattform
